Die Schaffenskraft des quirligen Frauenquartetts «Château Viktoria» reicht für ein ganzes Tramdepot: Ihr nächster Marché mit auserlesenen Designstücken steht kurz bevor.
Das Restaurant «wartsaal» ist in vielerlei Hinsicht ein stimmiger Treffpunkt für mein Gespräch mit «Château Viktoria»: Es ist gemütlich, es gibt literweise hausgemachten Eistee, dekoriert mit frischer Minze – und es ist ein «Zurück zu den Wurzeln». Denn vor vier Jahren lud das Vierergespann «Château Viktoria» hier zu seinem allerersten Marché ein.
2012 bezogen Manu Gerber, Mansing Tang, Natalie Kauer und Antje Kropf unweit von hier im Viktoriarain ihr gemeinsames Refugium, dem sie den Kosenamen «Château Viktoria» verliehen. Auf diesen klangvollen Namen tauften sie später auch ihr Label. Die Kreativköpfe gestalteten den exakten Gegenentwurf zu WG-Klischees wie Schmutz und Scherereien. «Schon unsere Einweihungsparty war – von der Einladung bis zur Deko – derart durchgestylt, dass unsere Gäste sich auf einer Vernissage wähnten», erinnert sich Mansing mit leuchtenden Augen.
Reichlich Geschenkinspirationen: Die «Töpferei am See» präsentiert keramische Kunstwerke, während die Kartenmanufaktur «ninniku» mit Papierpreziosen brilliert.
«Der Wunsch ist gewachsen, unser kreatives Potenzial nach aussen zu tragen. Einerseits, um möglichst viele daran teilhaben zu lassen. Anderseits, um anderen Machern eine pulsierende Plattform zu bieten», beschreibt Manuela den Geistesblitz, der eines Abends am Küchentisch einschlug. «Mit unserem Konzept haben wir die Lücke zwischen Koffermarkt und Designmesse geschlossen. Das gab es zuvor in Bern so nicht.» Manuela tönt an, was ich längst gedacht habe: Zwar leben die Vier in ihrem persönlichen «Schlössli», aber sie sind vielmehr Pionierinnen als «Prinzesschen».
«Wir machen das aus tiefstem Herzen»: Natalie Kauer, Mansing Tang, Antje Kropf und Manu Gerber stellen den mittlerweile 8. Marché auf die Beine. Ihre Aufgabenteilung: Jede tut, worin sie gut ist.
60 Designer vereint unter einem Dach
Eine riesige Halle wie das Tramdepot Burgernziel hätten sie sich in ihren Anfängen als Event-Location kaum zugetraut, wohl aber erträumt. Ein Traum, den sich das eingespielte Team dank Herzblut und dem nötigen Quäntchen Ehrgeiz erfüllt: Am 5. November öffnen sie die Tore zum grössten Marché aller Zeiten. Rund 60 Designschaffende präsentieren, was ihre Stricknadeln, Sägen und Stifte Virtuoses hergeben. Zum Beispiel zeigen IOKO geschenktaugliche Schmuck- und Druck-Kreationen und Thomas Jakobson rollt bunt gemusterte Socken aus. Für das erwünschte Durchhaltevermögen bei so viel Liebeswertem sorgt Barista Tele mit seinem rassigen Espresso.
Die eifrigsten Bienen der Nachhaltigkeit: «Loggia16» aus Bern haben Tücher mit Schweizer Bio-Bienenwachs ausgetüftelt, die zukunftsweisende Alternative zu Frischhaltefolie aus Plastik.
«Ich werde mir bei dieser Gelegenheit eine Agenda von Grafikdesignerin Nicole Michel zulegen», meint Natalie ganz verzückt. Wer ausstellt, bestimmen die Veranstalterinnen mit Bedacht. «Schweizer Design ist Voraussetzung», «Ästhetik!» und «die Qualität muss stimmen», hauen mir Mansing und Manu abwechselnd Auswahlkriterien um die Ohren, «zudem praktisch und innovativ». «Wir stöbern selbst kleine Manufakturen auf, wobei inzwischen viele von sich aus auf uns zukommen», freut sich Manu. So viele, dass sie gar nicht alle Anfragen annehmen können. Sie sind eben auch Agentinnen des guten Geschmacks, denke ich.
Mitmachen an inspirierenden Kreativ-Workshops
Bei der letzten Marktausgabe dachten sie sich mit verschiedenen Workshops besondere «Zückerli» aus. Der Anklang hallte weit, sodass die Besucherinnen und Besucher auch am nächsten Marché ihre eigene Kreativität herauskitzeln können: Zum Beispiel beim «Lisme», beim Makramee-Knüpfen oder Briefeschreiben – so richtige auf echtem Papier!
Zum zweiten Mal können die Besuchenden eigenhändig gestalten, zum Beispiel im Workshop von Berns Makramee-Profi Damaris Berger.
Über die Jahre ist der Designmarkt und damit die Professionalität gewachsen, das Fundament bildet nach wie vor die Freundschaft. Allerdings stehen Veränderungen an: Schon Ende November übergeben sie die Schlüssel ihres «Châteaus» neuen Schlossherrinnen. Das gemeinsame Zuhause gibt es dann nicht mehr, jedoch haben die vier Querdenkerinnen längst etwas geschaffen, das bleibt – unabhängig von Zeit und Raum: Ihr Label «Château Viktoria». «Wer weiss, vielleicht ist genau diese Veränderung Ursprung neuer Ideen», findet Antje, die Mami einer kleinen Prinzessin ist. Die Thronfolge ist also ohnehin gesichert.