Während andere Mädchen mit Barbies spielten, hantierte Claudia Müller in Vaters Garage mit Schraubenziehern. Heute ist sie Präsidentin der «Ladydrivers» – und überwintert ihren Fiat Multipla ohne weiteres im Wohnzimmer.
Schon als ihre Beinchen noch zu kurz waren, um ans Gaspedal ranzukommen, verbrachte Claudia Müller Stunden mit ihrem Vater in der Garage. Sie staunte, während er am Auto rumschraubte. Heute denken manche, Claudia habe eine locker – eine Schraube: Ihr Herz wummert für Oldtimer. «Ich liebe altes Blech», sagt sie augenzwinkernd und schaut Richtung Garage. Dort stehen ein Fiat Spider (Jg. 1971), ein Fiat Coupe (Jg. 1969), ein Fiat Berlina (Jg. 1970) und ein Fiat Multipla (Jg. 1961). Letzterer stand vergangenen Winter allerdings nicht in der Garage, sondern mitten in Claudias Stube! Dass es der Himmelblaue zwischen Sofa und Fernseher gemütlich habe, sprach sich weit herum. «Das war ein Plausch, es fehlte nur noch das Popcorn!», erinnert sie sich grinsend an die aussergewöhnliche Aktion. Natürlich ziehen ihre Oldtimer auch ausserhalb ihrer vier Wände bewundernde Blicke auf sich. Jede Ausfahrt wird zum Event, und sei es nur in den Supermarkt, in die Gärtnerei oder an die Tankstelle im Dorf. In der Region sind Claudia und ihre Gefährte(n) bekannt wie bunte Hunde. Oldtimer wecken Emotionen; viele Leute winken ihr zu, lächeln, oder sprechen sie an, um mehr über die rollenden Zeugen längst vergangener Zeiten zu erfahren. Welchen Oldtimer Claudia fährt, entscheidet sie spontan. Manchmal leiht sie sich einen Engländer aus … von ihrem Partner Max, der leidenschaftlicher Bentley- und Rolls-Royce-Fahrer ist. Ihr «Liebling auf vier Rädern» ist jedoch der Fiat 850 Sport Spider, den sie kennt wie ihre Jeanstasche: Claudia zerlegte den himmelblauen Flitzer bis auf das letzte Schräubchen selber und baute ihn innert zehn Monaten wieder zusammen. Das sei eine spannende Challenge gewesen, besinnt sie sich.
«Oldtimer sind Kulturgut, das verschiedenste Menschen eint.»
Frauen am Oldtimer-Steuer Eine mindestens so spannende Herausforderung war die Gründung des Vereins «Ladydrivers» im Jahr 2012, als überregionale Organisation des SMCV (Schweizer Motor-Veteranen-Club). Claudia Müller war der Motor, der das Projekt für Frauen vorantrieb. «Wir wollen den Frauen Mut machen und ihnen das Oldtimer-Steuer näherbringen», so Claudia, die als Präsidentin amtet. Noch immer sei Oldtimer-Fahren eine Männerdomäne. Dabei gebe es beispielsweise genug verwitwete Damen, die einen Oldtimer von ihrem Gatten erben und nichts damit anzufangen wissen. Auch diese Frauen finden bei den «Ladydrivers» Anschluss. «Männer sind bei uns aber nicht verpönt, sondern herzlich willkommen», stellt Claudia klar. Oft beobachtet sie, dass gerade die Männer ihre Frauen zum Fahren ermutigen. Der Verein, den Claudia gemeinsam mit Jaguar-Liebhaberin Esther Betschard und Oldtimer-Restaurateurin Gaby Hahn führt, zählt heute 66 Mitglieder. Die Freude an Oldtimern verbindet die unterschiedlichsten Frauen, von der Mechanikerin bis zur Augenärztin. Primär geht es um den gegenseitigen Austausch, um das Kontakteknüpfen, und darum, auf Bedürfnisse wie Veranstaltungen, Fahrkurse oder Technik-Knowhow «ladylike» einzugehen. «Tatsächlich beschäftigen wir uns mit mehr als High Heels oder Häkelarbeiten», kokettiert der Fiat-Fan mit vorherrschenden Klischees. Der Verein, der Frauenherzen entzückt, organisiert unter anderem Ausfahrten in die schönsten Gegenden der Schweiz. Wer mag, kleidet sich im Stil von anno dazumal. Auch Claudia Müller besitzt eine Auslese an altertümlicher Mode, ergattert hie und da «Händschli» oder ein Hütchen. Das Hütchen muss jedoch fest auf Claudias Haupt sitzen, denn sie drückt gerne auf das Gaspedal. Das Motorendröhnen ist Musik in ihren Ohren, der Benzingeruch Parfum in ihrer Nase. Zwei ihrer Autos hat sie sogar mit einem Abarth-Auspuff ausgestattet, damit es noch schöner dröhnt, wenn sie durch die Gegend braust. Claudia Müller, die fast immer einen Button mit dem neckischen Logo der «Ladydrivers» auf der Brust trägt, will zum Erhalt des Automobilen Kulturguts beitragen. «Nicht nur Bilder oder Möbel, sondern auch alte Autos sind ein schützenswertes Kulturgut», ist sie überzeugt, zündet den Motor und sich eine Zigarette an. Ein Räuchlein bläst aus dem scheppernden Auspuff – und aus Claudias lachendem Mund. Sie flitzt davon, verschwindet irgendwo zwischen den Hügeln Richtung Emmental.
2 Kommentare
Danke für die tolle Arbeit, die du in deinen Blog steckst. Weiter so! Danksagung spenden
Dieser Blogbeitrag hätte zu keinem besseren Zeitpunkt kommen können. Ich hatte mit einigen Problemen zu kämpfen und Ihre Tipps haben mir eine neue Perspektive eröffnet. Danke schön! Veteranen helfen